Anpacken statt Tee trinken


Abends gehen wir oft Essen. Egal wie spät es wird oder wo wir hingehen, fast immer will uns ein Kind Kaugummis oder Früchte verkaufen. Dankend lehnen wir ab, um keine Kinderarbeit zu unterstützen und in der Hoffnung, dass die dummen Eltern ihre Sprösslinge zukünftig in die Schule und nicht auf die Strasse schicken. Die Kinder ziehen mit ihren traurigen Gesichtern von dannen. Die Erwachsenen sind da schon hartnäckiger, aber egal ob die Person hinkt, blind oder einfach nur arm ist, wir geben nichts. Wir glauben an nachhaltige Hilfe und nicht an Almosen – schon immer. Dies wird erst dann unangenehm, wenn man mit anderen Westlern unterwegs ist, die jeden Affen füttern und jedes Kind mit Süssigkeiten beschenken. Da kommen wir uns manchmal doof vor, aber wir bleiben hart. Richtige Hilfe ist hart. Es ist Knochenarbeit und oft kriegt man kein dankbares Lächeln. 
 
Obwohl wir keine professionellen Entwicklungshelfer sind, konnten wir hier viel erreichen: Wir leiteten vor Ort Weiterbildungen, packten an, können bald eine erste Volontärin schicken und schliesslich brachten wir dem Casa Padre Silvio gerundet CHF 60‘000 mit der der Hilfe von Freunden und Familie sowie den Organisationen ONE WORLD und Para Los Indígenas. Dank dieser Spenden ist das Casa auf unseren Vorschlag eingegangen und hat per sofort eine ausgebildete Lehrperson eingestellt. Somit gibt es neu drei festangestellte Frauen, was eine gesicherte Kontinuität sowie Qualität des Projektes gewährleistet. Zudem ist das Essen für zwei Jahre bezahlt und der Sportplatz kann demnächst saniert werden. Doch generell steht Entwicklungshilfe in Europa in der Kritik. Diese reicht von, die Menschen würden nur Spenden, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, damit sie weiterhin Billigware bei H&M oder Mediamarkt kaufen können. Bis hin zu, Entwicklungshilfe sei eine neue Form des Imperialismus und würde die hilfsbedürftigen Länder nur noch weiter in die Abhängigkeit treiben. Jeder weiss, dass es falsche Hilfe gibt, doch was ist richtige Hilfe? Es ist die alte ethische Frage, des wie handle ich richtig. Menschen handeln lieber nicht, als falsch zu handeln, in der Angst ihre Spende würde verschwendet und am Ende niemandem helfen oder gar schaden. Letzten Endes ist der Dschungel der Entwicklungshilfe viel zu undurchsichtig und zu viel Geld verschwindet in der Administration. Doch die Antwort auf die Frage „Was ist richtiges Handeln, was ist richtige Hilfe?“ kann niemals Abwarten und Tee trinken sein. Richtige Hilfe ist wie Schule: Die Lehrperson meint es gut mit dir und deshalb ist sie nicht dein Freund. Ja, vielleicht wird nicht jeder Rappen ein Erfolg sein. Ja, Gelder verschenken bringt Abhängigkeit und ein Machtgefälle mit sich. Und ja, Administration kostet Geld. Aber welches Unternehmen setzt schon immer all sein Geld gewinnbringend ein, wo in unserer Welt gibt es kein Machtgefälle und welche Administration ist gratis? Wir können nur für uns sprechen und unsere Administration ist tatsächlich gratis, weil wir das in der Freizeit tun. Klar herrscht ein Machtgefälle zwischen uns, die das Geld verschenken und jenen, die darum bitten. Doch das Gesetz des Geldes hat die Welt schon lange im Griff. Ecuador haben wir bereits zur Zeit der Conquista (Eroberung Mittel- und Südamerikas) abhängig gemacht und das bleibt, zumindest ökonomisch gesehen, wohl noch lange so. Ob die Spenden nachhaltig eingesetzt werden, liegt ganz in unseren Händen. Wir sind zwar keine professionellen Entwicklungshelfer, aber professionelle Lehrer und können einen Schulbetrieb, indem wir acht Monate mitgearbeitet haben, gut einschätzen. Anders als in staatlichen Bildungsinstitutionen wird im Casa Padre Silvio auf eine enge und ganzheitliche Begleitung der Kinder und Jugendlichen geachtet. Die Eltern werden ebenfalls geschult und zur Mitarbeit animiert, egal wie zäh und langwierig dieser Prozess ist. Das Personal arbeitet mit Herzblut für die Kinder und in Ecuador besonders wichtig: Die Chefin ist eine Frau, die Koordinatorin ist eine Frau und die Köchin gehört der indigenen Bevölkerung der Shuar an. Beide Gruppen, sowohl Frauen wie die indigene Bevölkerung, haben es hier besonders schwer. Dies merkt man sofort, wenn man mit den öffentlichen Schulen zusammenarbeitet, die eine weisse Männerdomäne sind.

Wir werden mit grosser Freude in ein paar Jahren hierher zurückkehren und schauen, wie sich das Casa Padre Silvio mit seinen Bewohnern weiterentwickelt hat. In der Zwischenzeit werden wir das Projekt unter der Schirmherrschaft von ONE WORLD betreuen und unterstützen oder persönlich per Whatsapp aushelfen, wenn die Koordinatorin mal nicht mehr weiterweiss. Ab Ende März kann das „Projekt Ecuador“ auf der Webseite von ONE WORLD besichtigt werden: http://www.one-world.li/projekt-ecuador/. Via diese Website werden wir Jahr für Jahr versuchen CHF 8'000 zu sammeln, um den Jahreslohn der festangestellten Lehrerin zu decken.

Anfangs April geht es für uns weiter an die Küste von Ecuador, danach nach Mexiko, Kanada und Amerika, dann nach Tahiti, ein kleiner Punkt im grossen pazifischen Ozean, sowie Australien und Europa. Die Route ist entlang unserer Freunde und Familie geplant, die wir unterwegs in den verschiedensten Ländern treffen werden – wir freuen uns unheimlich auf bekannte Gesichter und neue Geschichten.

PS. Wenn wir uns gerade nicht mit Entwicklungshilfe beschäftigen, geniessen wir am Wochenende Berge, Vulkane und Dschungel: https://www.youtube.com/watch?v=9ZyxrHCSkLk
 







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