Seit unserem letzten Post sind schon wieder sieben Wochen verflogen,
viel ist passiert, hier, wie sicherlich auch bei euch. Vom nördlichsten Zipfels
Südamerikas reisten wir nach Medellín, feierten mit Ana und
Jesse Janinas Geburtstag, gingen nach Bogotá, fuhren von dort mit Freunden für
ein Wochenende nach Melgar und wieder zurück. Einen Tag später bestiegen wir
ein Flugzeug, welches uns nach Ipiales an die Grenze zu Ecuador flog, die wir
zu Fuss überquerten, um dann eine lange Busfahrt nach Quito unter die Räder zu
nehmen. In Quito, einer wunderbaren Stadt, verweilten wir fünf Tage, meldeten
uns auf der schweizerischen Botschaft an, besuchten die Altstadt, trafen
Freunde aus der Schweiz und genossen die letzten Tage ohne Arbeit, bevor uns
eine neunstündige Busfahrt durch den Dschungel nach Macas führte.
Nach dem enttäuschenden Projekt in Indien, kommen wir mit viel Skepsis im
Gepäck in der kleinen Provinzstadt an. Die Zweifel verflüchtigen sich jedoch
rasch, da wir merken, dass wir uns einbringen können und gebraucht werden. Seit
vier Wochen arbeiten wir nun im Casa Padre Silvio in Macas umrahmt von
Dschungelgeräuschen und bleiben noch weitere sieben Monate. Gemeinsam mit den vier ecuadorianischen Volontärinnen und
der streng wirkenden Direktorin stehen wir tagtäglich, ausser am Wochenende, um
6:30 Uhr auf, essen süssliches Brot mit Ananasmarmelade zum Frühstück, arbeiten
mit den Kindern, abgesehen von einer Mittagspause, bis um 18:00 Uhr durch und
beenden den Tag nach dem gemeinschaftlichen Abendessen mit dem Abwasch. Wie in
so vielen von uns bereisten Ländern sind die Arbeitszeiten sehr lange und das Konzept
von Pausen gibt es nicht. Im Gegenzug wird dafür in einer Langsamkeit und
Ineffizienz gearbeitet, die manchmal fast nicht auszuhalten ist. Oft bedeutet
dies, man muss an einem bestimmten Ort sein, der einen zugewiesen wurde, ob man
dann arbeitet oder nicht, scheint zweitrangig. Hier ist es nicht anders. Schnell
werden wir aktiv, erinnern Mery, die Koordinatorin, noch einmal daran, dass wir
ausgebildete Lehrer sind, was an einem Ort wo unterrichtet wird durchaus
hilfreich ist und suchen uns Arbeit. Die finden wir relativ schnell. Die vier
Volontärinnen, allesamt noch Teenager, sind sehr engagiert, aber mit den
Klassen oft überfordert. Dies verwundert nicht, haben sie doch keine Ausbildung
und zum Teil die Schule selbst nur ganz knapp bestanden. Mery bittet uns schon in
der ersten Woche eine Weiterbildung rund ums Thema Unterrichtsplanung bzw.
Klassenführung zu gestalten und mit den jungen Mitarbeiterinnen durchzuführen.
Notabene auf Spanisch. Wir erinnern uns an einen zurückliegenden Mailverkehr
mit Mery, in welchem auf unsere Frage bezüglich Spanischniveau geschrieben
wurde, dass wir uns auf Spanisch lediglich durchschlagen können müssten, weiter nichts. Stundenlange Unterrichtseinheiten, die wir nun halten, mit
Vorträgen über Lektionsplanung, Arbeitsverweigerung im Klassenzimmer und
Konzentrationsspannen bei Kindern, Pausengestaltung und altersgerechten
Sanktionierungen fallen unseres Erachtens in eine andere Spanischniveaukategorie.
Trotzdem mögen wir es sehr, da es sinnvoll, zielführend, herausfordernd und zu
guter Letzt auch für unsere Spanischentwicklung hilfreich ist.
Die ersten zwei Wochen, jeweils am Morgen, unterrichten wir sowohl die
Koordinatorin wie die Volontärinnen. Am Nachmittag helfen wir in den vier
Klassenzimmern aus, wenn ein Kind Einzelbetreuung braucht, Fragen in Englisch
hat oder die jungen Volontärinnen Unterstützung benötigen. Die Kinder, die am
Nachmittag hierherkommen, besuchen am Morgen eine reguläre Schule, lösen dann
mit uns ihre Hausaufgaben und erhalten Stützunterricht sowie zwei warme
Malzeiten. Dinge welche die eigenen Eltern, falls die Kinder überhaupt Eltern
haben, oft nicht bieten können. Viele wohnen in sehr armen, schwierigen
Verhältnissen wo fehlende Hygiene, Vernachlässigung, psychischer und physischer
Missbrauch, sowie fehlende Nahrung an der Tagesordnung sind. Wenn dann an einem
freien Samstag die Türglocke klingelt und draussen vor dem Tor kleine Kinder
mit schmutzigen Kleidern und zerzausten Haaren stehen, die Hunger haben und
hier essen wollen, da bei ihnen zu Hause niemand kocht, dann bricht es einem
fast das Herz. Man steht hilflos da, dreht sich ab, nur damit die Kinder nicht
sehen müssen, wie einem Tränen über die Backen kullern.
Mittlerweile findet auch morgens Unterricht statt, für Kinder, welche
aus der Schule geflogen sind, einfach nicht mehr hingingen oder noch gar nie hingegangen
sind. Dieses Angebot wird im Moment leider nur von einem einzigen Schüler
genutzt, einem Vierzehnjährigen, welcher weder lesen, schreiben noch rechnen
kann. Ein Schüler und sechs Volontäre, der wahrscheinlich beste
Lehrer-Schüler-Betreuungskoeffizient weltweit. Wir beide unterrichten am
Morgen, über die ganze Woche gesehen, nur zwei Lektionen Englisch, was uns viel
freie Zeit beschert. Wieder haben wir uns erfolgreich neue Arbeit beschafft:
Täglich korrigieren und besprechen wir die Unterrichtsplanungen der
Volontärinnen, erstellen ein diagnostisches Testverfahren über den schulischen
Entwicklungsstand der Kinder, gestalten das Psychologiezimmer neu, absolvieren
unsere Sporteinheiten und schreiben an unseren eigenen Projekten. Ihr seht, es
geht uns nach einer kurzen Angewöhnungszeit hervorragend, das Projekt ist toll,
wir fühlen uns wohl und trotz mangelnden Spanischkenntnissen verstanden.
Merci vil vil mal :-*
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