Es gibt drei
grundlegende Möglichkeiten mit dem Scheitern umzugehen: Erstens sich nicht aus
seiner Komfortzone bewegen, weil man die Angst vor dem Scheitern nicht erträgt.
Zweitens furchtlos in neue Gefilde aufbrechen und nach dem Hinfallen
resignieren, weil die Härte der Realität mit voller Wucht zugeschlagen hat.
Drittens beginnt mit ähnlich furchtlosem Aufbrechen und endet in der harten
Schule des Scheiterns, die einen zum Master of Arts in Failure bilden kann. Bereit
zum Scheitern mussten wir sein, als wir aus der Schweizer Komfortzone ausbrachen.
Wir zählen somit zu den furchtlosen zum Scheitern bereiten Menschen, die
aufgebrochen und nun tatsächlich auf die Nase gefallen sind. Die zweite Möglichkeit
fällt ebenfalls weg, denn wir sind bereits im Visaprozess für das Don Bosco
Schulprojekt in Ecuador und haben nicht vor, diese Herausforderung in den Wind
zu schlagen. Somit sind wir in der Schule des Scheiterns gelandet und hoffen,
irgendwann dessen Kunst zu meistern.
Beginnen wir mit dem
Anfang vom Ende: Gemeinsam mit den Schwestern in Sabbavaram machen wir den
Abwasch nach dem Mittagessen, als auf einmal Schwester Pennamma fragt, warum
wir unserer Schweizer Organisation Lügen über die Nutzung der Küche erzählen
würden? Wir fragen nach und wollen ergründen, woher der Vorwurf kommt. Die
Schwierigkeit bei dieser Auseinandersetzung liegt in der argumentativen
Unterlegenheit unserer Gesprächspartnerin, was letzten Endes zum
Gesprächsabbruch führt und alle weiteren Klärungsbemühungen unsererseits in den
Wind geschlagen werden. Trotz missratener Kommunikation lernen wir aus dem
Gespräch die andere Perspektive kennen, welche wir in den vorangehenden drei
Wochen nicht erfuhren. Durch das Freiwilligentreffen in Vijayawada mit den
führenden Don-Bosco-Brüdern der Region wussten wir, dass wir für das emotionale
Wohl der Kinder und Jugendlichen zuständig sind. Aus dem Streitgespräch mit der
Schwester lernen wir, was noch über dem Wohl der Kinder steht, das Image der
lokalen Don-Bosco-Brüder, denn diesem hätten wir anscheinend geschadet. Wir hatten
unserer Organisation in der Schweiz über die spärliche Benutzung, der von ihnen
gespendeten Küche berichtet, woraufhin sich der Father Provincial, der Chef der
Region, in die Angelegenheit einschaltete und etwas Bewegung in die Sache kam.
In der darauffolgenden Woche wurde das Essen in Sabbavaram ausgewogener und in
der Küche wurde uns vorgekocht, aber wir hatten uns unbeliebt gemacht. Nun
werden wir der Lüge bezichtigt, es wird uns vorgeworfen, wir würden Probleme
machen, wo keine sind und unsere Arbeit wird behindert. Mit verbalen Vorwürfen
können wir umgehen, doch wenn all unsere Kompetenzen unterwandert werden und
wir handlungsunfähig zurückbleiben, können wir nichts mehr bewirken. Das
Basketballprojekt scheitert an plötzlichem Desinteresse der Verantwortlichen,
die betreute Hausaufgabenhilfe verunmöglicht ein Schloss, zu dem wir keinen
Schlüssel haben und die geplante Sonntagsaktivität für die Frauen in Sabbavaram
wird kommentarlos verboten. Dies sind drei unserer Arbeitsfelder, die einfach wegbrechen.
Binnen einer Woche gehen jegliches Vertrauen so wie viele unserer Kompetenzen
verloren. Wir stehen vor einem Scherbenhaufen, den wir nur langsam zu
realisieren beginnen. Scheitern ist meist kein Augenblick, sondern die
Retrospektive auf etwas Misslungenes, das sich nicht in naher Zukunft
gradbiegen lässt. Doch worin liegt jetzt die Kunst des Scheiterns? Vermutlich findet
sich ein Teil darin, über die Fehler zu sprechen, damit man selbst und
vielleicht sogar andere aus diesen Erfahrungen lernen können. Haben wir denn
nun schon etwas gelernt, allein durch die sprachliche Artikulation? Ich glaube
ja, denn eines wurde uns bewusster denn je: Wer Einfluss nehmen will, braucht
Kompetenzen. Wenn der Arbeitgeber nicht im Geringsten bereit ist, uns einen
Handlungsspielraum einzuräumen, dann müssen wir uns auch keine Illusionen über
unsere Wirkkraft machen. Unseren Masterabschluss in den Arts of Failure haben
wir uns damit gewiss noch nicht verdient, aber wir sind gewillt aufzustehen und
wieder hinzufallen und uns nicht darüber auszuschweigen.
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