Im Paradies sitzen

Vor dem eigentlichen Blogeintrag, hier noch der Link zu unserem Video der ersten zehn Wochen, zusammengefasst in 133 Sekunden:  https://m.youtube.com/watch?v=XLYTG3M0Z0k 

Wir verbrachten elf Tage in Bangkok, versuchten mit Müh und Not ein Visum zu ergattern, was uns schliesslich auch gelang und wollten sonst noch so einiges erledigt haben, bevor wir uns eine Auszeit gönnen. Das mag jetzt komisch klingen, wovon wollen die denn eine Auszeit? Ein paar Tage nichts planen, kein Visum beantragen, kein Spanisch lernen – die alte Sehnsucht des süssen Nichtstuns.

Nun sind wir auf Koh Lanta, einer Insel in der Nähe von Krabi, welches durch den Tsunami von 2004 berüchtigte Berühmtheit erlangte, angekommen. Es ist das Paradies auf Erden: Die muslimische Inselbevölkerung ist trotz vieler Touristen freundlich geblieben, das Essen ist hervorragend, das Meer azurblau und sogar die Touristen sind angenehm; eine Kombination, wie sie nur selten vorkommt. Bereits beim ersten Frühstück mit Blick auf den Horizont und einer leichten Meerbrise im Haar fragen wir uns, wie lange wir es hier aushalten werden. Doch das kriegen wir hin, das muss uns einfach gefallen, es ist genau das, was wir wollten. Dann schleicht sich eine typische Qual solcher Orte ein, wie auch ihr sie sicher kennt: Soll ich ein Video schneiden oder doch lieber liegen bleiben? Wollen wir heute eine Party feiern oder romantisch dem Meer entlang schreiten? Kuchen oder Mango zum Dessert? Zusammen oder alleine? Hör auf, was sind denn das für Probleme!

Jeder Tag im Paradies bedeutet, ein Tag näher am Ende dieser genussvollen Zeit. Nichts ist von Dauer, alles verändert sich, auch das wissen wir. Wie geht es weiter, was wartet auf uns in Indien, wo übernachten wir in Bangkok, was ist mit dieser unerklärlichen Swisscomrechnung, sollten wir nochmals wegen dem Visum für Ecuador schauen? In einen Alltag eingebunden sein, bedeutet auch wissen, was der morgige Tag bringt. Diese Struktur kann beklemmen, aber auch solche Fragen der Ungewissheit tilgen. Im Alltag ist Morgen gewiss, denn die ständige Veränderung ist durch die Kontinuität der wiederkehrenden Abläufe verschleiert. Dafür sehnt man sich nach Abwechslung, nach Sonne im Winter, nach Strand auf der Bergwanderung, nach einer Kokosnuss beim Raclette. So kriege ich eine Nachricht aus der Schweiz: „Iss du für mich eine frische Mango vom Baum.“ Gerne mach ich das, soeben erledigt. Sie war zwar nicht vom Baum, doch dafür umso süsser und hübsch hergerichtet zusammen mit farblich ergänzenden Früchten. Doch wer von uns geniesst jetzt? Gerne halten wir Dinge auf Fotos fest, um uns im Nachgang an eine schöne Zeit zu erinnern oder träumen von fernen Sandstränden, doch wie geniesst man Tag für Tag den Moment. Es fällt uns Menschen leicht, das Ende des Regenbogens zu erträumen: Wie wäre es wohl, inmitten all dieser Farben zu stehen; wie gross wohl die Kiste aus Gold, die dort begraben liegt? Dort angekommen, würde sich der gesamte Zauber auflösen. Denn vermutlich regnet es auch am Ende des Regenbogens und man müsste die Kiste voller Gold in Sicherheit bringen. Es hilft auch nichts, sich gut zu zureden oder gar anzupeitschen: Geniess jetzt, los…du bist am Ende des Regenbogens angelangt, du bist reich, mach schon. Das hier ist das Paradies. Warum geniesst du nicht? 

Die Antwort auf den geniesserischen Imperativ klingt simpel, braucht in der Umsetzung aber seine Zeit. Schalte den Befehl aus und auf einmal gniesst du von selbst. Versuche bloss nicht, jeden Augenblick zu geniessen, denn auch bei der süssesten Mango kriegst du klebrige Hände. So spazieren wir am Strand entlang und sehen auf einmal all die hübschen Muscheln. Jede hat ihre eigene Form, Farbe und Schönheit – eine kleine Muschelausstellung am Ende des Regenbogens entsteht. In dem Moment geniessen wir jeden Sonnenstrahl auf der Haut, jede Meerbrise im Haar.

Kommentare

  1. Danke für die 133 Sekunden, danke fúr die Bilder, euch sehen zu können ist schön, danke für eure Gedanken und Gefühle,...
    Viel Liebes
    MaRu

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