Fehlender ziviler Ungehorsam (25.1.14 - 4.2.14)

Nach Indien ist Australien nicht nur sauber und zurückhaltend, sondern auch geregelt. Egal wo man hinkommt, erhält man Informationen zur Umgebung, Warnhinweise, Verhaltensreglen, allfällige Strafmassnahmen vor die Nase gehalten. Manchmal wird die Gefahrenmeldung lediglich durch ein Schild überbracht, andernmals überbringt die Nachricht ein besorgter Mitbürger oder gar der Ranger selbst. Der Kulturschock von "no problem, in India you don't need a helmet," zu "you think this looks bad (darüber ein Bild von einem dreijährigen Mädchen mit geschwollener Nase)? This child WAS wearing a helmet. Make sure you always wear a helmet!" hat uns voll erwischt. In Indien waren wir davon überzeugt, dass Regeln die dummen Bürger vor Gefahren und sich selbst schützen würden, in Down Under fürchten wir uns nun um deren Mündigkeit und Freiräume das Leben zu erleben. Beispiele dazu finden sich am Tunarama in Port Lincoln und dem Big Day Out in Adelaide, Festivals an denen sich der Protoaussie in aller Ruhe studieren lässt: Es wird getrunken, gegessen, gefeiert, getanzt und gekämpft -  alles nach Vorschrift. 

Vom 24.1.-27.1. (wovon der 26.1. Aussieday ist) werden in Port Lincoln alljährlich Fische, mit Vorliebe Thunfische, durch die Gegend geschleudert. Nebst dem Fischeschmeissen als Hauptattraktion werden Autorennen ausgetragen, Paraden durchexerziert, Schwimmwettkämpfe gehalten und Melonenwettessen veranstaltet. Tunarama ist vergleichbar mit einem beliebigen schweizer Dorffest, einzig beim genaueren Hinschauen, fallen australische Eigenheiten auf. Kein einziger Bierstand findet sich auf dem Gelände, denn in der Öffentlichkeit ist Alkohol trinken untersagt. Dies führt zu neugierigen bis kritischen Blicken, als die Schweizer auf dem Platz in aller Rücksicht ihren mitgebrachten Wein aus undurchsichtigen Plastikbechern trinken. Auf dem Festivalgelände tummelt sich kaum jemand ohne Sonnenhut, Sonnenbrille und zentimeterdicker Sonnencremeschicht auf der Nase, denn jeder weiss, dass man sich vor der Sonne schützen soll. Hier im Rasenbereich des Festivals ist es erlaubt barfuss zu gehen, sollte man aber im Pub über die Strasse während dem Essen unter dem Tisch die Flipflops ausziehen, dauert es keine zwei Minuten und die Bedienung macht einem freundlich darauf aufmerksam, dass man drinnen zu jeder Zeit das Schuhwerk anbehalten muss. Am Ende des Tages sind unsere Nasen und Nacken von der Sonne rotgebrannt, die Weinflasche trotz giftigen Blicken leergetrunken und wir haben die Fähigkeit entwickelt Schuhe ganz schnell anzuziehen, wenn es die Situation erfordert. Ach ja, man darf in einem Nachtclub auch keinen Powernap nehmen, tut man es doch, droht der Rausschmiss und ist man einmal aus dem Club raus, darf man nicht mehr hinein, Eintrittsstempel hin oder her. Dies hätten wir uns besser einprägen sollen, um nicht eine Woche später in dieselbe Falle zu tappen.
Tuna Tossing in Port Lincoln
Parade in Port Lincoln
Tatort für die Falle ist der Big Day Out in Adelaide. Big Day Out ist ein australisches Musikfestival, welches mit demselben Lineup, dieses Jahr unter anderem mit Pearl Jam, Arcade Fire, The Hives, Snoop Dog und Major Lazer, in Perth, Adelaide, Melbourne, Sydney und Brisbane, einmal quer durch Australien reist, um Musikbegeisteret zu beglücken. Wie die meisten Festivals in Australien, ist der Big Day Out leider nur ein eintägiger Event. Türöffnung ist um 11 Uhr morgens und 12 Stunden später sind alle 47 Konzerte auf den sieben Bühnen fertig gespielt und man begibt sich wieder nach Hause. Warum man die 47 Bands nicht über zwei bis drei Tage spielen lässt, hat vermutlich damit zu tun, dass die Aussies ausser Rand und Band geraten und damit zu einem Sicherheitsrisiko werden könnten.   
Wie an einem Festival üblich brauen wir Drei unser Feuerwässerchen zusammen, um es im Wissen, dass man nur leere Plastikflaschen (?!) aufs Gelände mitnehmen darf, vor den Festivaltoren zu deponieren. Gegen 11 Uhr durchqueren wir die Polizei- und Drogenspürhundschranke und können live miterleben, wie der Hund bei einem Teenager anschlägt, der Jugendliche wird sofort zum Einsatzwagen eskortiert und gefiltzt. Innerhalb des Geländes gilt es bei den Getränkeständen die Regel, dass man vor 19 Uhr vier Getränke pro Transaktion kaufen darf, nach 19 Uhr sind nur noch deren zwei erlaubt und dies obwohl kein Mischgetränk mehr als 4.5% Alkoholvolumen aufweist. Aufgrund dieser Facts entschieden wir, unserer Flasche ausserhalb des Geländes einen Besuch abzustatten. Am Ausgang werden wir freundlich darauf hingewiesen, dass jeder, der das Gelände verlässt, nicht mehr zurückkeheren kann und sein Ticket somit verfällt. Etwas desillusioniert bleiben wir am Eingang stehen und beobachten wir wie es die Australier machen. Sturtzbetrunken erscheinen diese um 13 Uhr auf dem Gelände, weil sie den Morgen dazu benutzt haben, sich zu Hause zu betrinken, um Geld zu sparen. Für uns wird es aufgrund dieser späten Erkenntnis kein Spartag...

Weitere Eigenheiten australischer Festivals bemerken wir am ersten Elektrokonzert um 12 Uhr Mittags (...). Anstatt sich eklektisch und spastisch zu den hämmernden Beats zu bewegen, wie wir drei es zelebrieren, stehen die Aussies nur herum und nach kurzer Zeit sind mehr Augenpaare und Handycams auf uns, durch das Tanzen als Exoten wahrgenommen, gerichtet, als auf die Bühne mit DJ. Als wir zu einer weiteren Bühne laufen, sehen wir, wie zwei Frauen durch die Polizei vom Gelände begleitet werden, weil sie aus einer hereingeschmugelten Plastikflasche Alkohol getrunken haben. Auf die Hives wartend, lesen wir die nicht zu übersehenen Schilder, die links und rechts von der Bühne angebracht sind. Pogen, Crowdsurfen, Stagediven, Circle Pits und andere auf den zu Schultern tragen ist alles verboten und kann zu einem Ausschluss führen! Dass die Security es ernst meint, zeigt sich fünf Minuten nach Konzertbeginn. Wir stehen bei den Hives weit vorne und neben uns hat ein Mann seinen Kollegen auf den Schultern, als er vom Sicherheitsmensch (Idiot), welcher vor der Bühne steht, angeschrien wird. Der junge Mann reagiert nicht, was dazu führt, dass der Idiot, also der Sicherheitsmann mit einem zweiten Gorilla über die Abschrankung springt, um den Übeltäter am T-Shirt zu sich zu reissen und ihm die Leviten zu lesen. Mit dem Argument, er hätte ihn nicht gehört, entkommt der Bösewicht seiner Strafe und darf auf dem Gelände bleiben.  

Wir drei geniessen das Festival bei bestem Wetter und sind vom guten Programm begeistert. Um 23 Uhr ist der ganze Spuck vorbei und der australische Sicherheitswahn zeigt sich zum Abschluss von seiner süssen Seite. Draussen hat es absurd wenige Taxis auf den Strassen, was dazu führt, dass wir eine ganze Weile eines Suchen müssen. Der Grund hierfür ist, dass die Töchter und Söhne (auch wenn diese schon volljährig sind) von den wartenden Eltern abgeholt werden, damit sie Nachts nicht alleine unterwegs sein müssen. Dieses Bild von den halbnackten, nicht mehr ganz standsicheren Mädchen, die dann zu Mama und Papa ins Auto steigen, hatte etwas sureales und lässt unsere Zweifel an der australischen Mündikeit erneut aufkeimen.



Zeltplatz in Robe
Strand in Robe
Streaky Bay
Streaky Bay
Port Fairy
Port Fairy

Kommentare

  1. sehr amüsant ;-) da gseht me was passiert weme e bsuech ire sträflingskolonie macht ;-) obwohl bi üs ir bude hets itz bi jedere stäge unde u obe es schild: "bitte handlauf benutzen" ;-) isch itz obligatorisch, also wird o hie langsam komisch =)
    gniessets u hoffentlech chöitr die brättli chle bruche =)
    gruss, klaus

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  2. Geschäftlich an Janina
    Bitte meine Mail lesen wegen Uni Bern.

    Ja, nach dem Lesen eures Berichtes ist doch je länger desto mehr der gesunde Menschenverstand und das Bauchgefühl gefragt-finde ich. Aber mir ist dieses Australische doch noch lieber als das Indische, von dem ihr erzählt habt;-)
    Die Strandfotos sind soooooo schön!!

    Herzlichst

    MaRu

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